Endlich ist es Frühjahr! Die ersten Knospen blühen, und viele Pferdebesitzer:innen können es kaum mehr erwarten, ihre Pferde endlich auf das saftige Grün zu lassen.
Anderorts ist die Angst vor Koliken, Hufrehe oder Kotwasser groß, sodass in Zusatzfutter investiert und minutengenau angegrast wird.
Doch weder Angst, noch “das haben wir immer schon so gemacht”, sind gute Ratgeber für eine gesunde Pferdefütterung. Deshalb möchte ich euch gerne ein paar Anhaltspunkte zum Thema Anweiden geben.
In der Regel werden Pferde über die Winterzeit mit Heu gefüttert und haben keinen Zugang zu frischem Gras. Die Darmflora passt sich an die Heufütterung an, und bildet die notwendigen Bakterien, um trockenes Raufutter optimal zu verdauen.
Würde man die Fütterung plötzlich auf frisches Gras umstellen, dann hätte das Pferd quasi noch nicht die passenden Bakterien dafür parat, und hat Probleme, das Gras gut zu verdauen. Durchfall und Koliken sind häufig die Folge.
Die Darmflora benötigt bei jeglicher Futterumstellung Zeit, um sich an das neue Futter anzupassen. Deshalb werden anfangs nur sehr kleine Mengen Gras gefüttert, und die Weidezeit langsam gesteigert, damit sich die gesamte Verdauung darauf einstellen kann. Aus Sicht der Darmflora ist es also unerlässlich, Pferde behutsam anzuweiden.
Analog verhält es sich übrigens mit der Umstellung von Gras auf Heu, die meist abrupt im Herbst stattfindet. Auch hier benötigt die Darmflora eigentlich Zeit, um sich umzustellen. Das sogenannte “abweiden” wird jedoch meist vernachlässigt. Das ist mit ein Grund, warum zB. Kotwasser besonders häufig auftritt, sobald man ein Pferd von der Weide nimmt.
Es ist ein Mythos, dass man ein Pferd an Kohlehydrate wie zB. Fruktan oder Stärke “gewöhnen” kann. Pferde mit EMS, Hufrehe, PSSM oder anderen Stoffwechselproblemen werden meist besonders vorsichtig angeweidet, in dem Glauben, die Probleme mit der Grasfütterung dadurch zu vermeiden. Das ist jedoch ein Irrglaube:
Ein Mensch, der an Diabetes erkrankt ist, kann beispielsweise keine Schokotorte verstoffwechseln. Es fehlt an Insulin, um den Zucker zu verdauen. Niemand käme auf die Idee, die Schokotorte einfach in kleinen Portionen zu verabreichen, um das Problem zu umgehen. Auch in kleinen Häppchen wird die Person mit Diabetes die Torte nicht vertragen, sondern immense gesundheitliche Probleme davontragen. Schon gar nicht kann die Person zukünftig besser Schokotorten verdauen, nur, weil langsam damit begonnen wurde.
Genauso haben Pferde mit EMS oder PSSM Probleme, Kohlehydrate aus dem Gras zu verstoffwechseln, und das ändert sich auch nicht, in dem man es vorsichtig anfüttert. Diese Pferde sollten entweder gar nicht, oder erst nach der Blüte auf die Weide. Sie werden daher im Sommer angeweidet und keinesfalls im April oder Mai.
Das Anweiden sollte auch bei gesunden Pferden über mindestens ein Monat erfolgen. Dabei beginnt man mit 5-10 Minuten pro Tag und steigert die Weidezeit langsam. Nach ca. 4 Wochen kann das Pferd bereits mehrere Stunden auf die Weide.
Dabei ist folgendes unbedingt zu beachten:
Quelle: pferderevue.at
Auch für die Weide selbst ist ein zu frühes Anweiden übrigens nicht optimal: Die für Pferde besonders wichtigen Obergräser sind meist einjährig. Wenn sie keine Zeit hatten, um zu blühen und auszusamen, sind sie im Folgejahr nicht mehr vorhanden. Diesen Zeitpunkt sollte man also in jedem Fall abwarten, ehe man die Pferde grasen lässt.
Nährstoffmängel können sich negativ auf die Darmflora und damit auf die gesamte Verdauung auswirken. Ist man besorgt, ob das Pferd optimal für die Weidesaison gerüstet ist, dann lohnt sich ein Kontrollblick auf die Gesamtration.
Stimmt die Ration, und das Pferd ist mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt, dann werden für das Anweiden weder spezielles Zusatzfutter, noch Kräutermischungen oder gar Entgiftungskuren benötigt.
Viel sinnvoller ist es, das Pferd ganzjährig bedarfsgerecht zu füttern, damit erst keine Mängel entstehen, die sich auf die Verdauung auswirken könnten. Beginnt man erst beim Anweiden, diese Mängel zu beheben, ist es ohnehin zu spät: Der Körper braucht bei einem Mangel Wochen, wenn nicht Monate, um die Nährstoffe überall dort, wo sie benötigt werden, wieder gut aufzunehmen.